Wer seid ihr? Seit wann gibt es euch?
Wir sind das Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser e.V., der landesweite Zusammenschluss aller 23 Frauenhäuser, Frauennotwohnungen und Frauenberatungsstellen in Brandenburg. Der Verein hat sich im März 1995 gegründet. Unser Vorstand setzt sich aus derzeit vier Frauenhausmitarbeiterinnen zusammen, die diese Arbeit ehrenamtlich machen. In Trägerschaft des Vereins befinden sich zwei vom Land Brandenburg geförderte Projekte mit fünf (Teilzeit-)Mitarbeiter*innen: Die Koordinierungsstelle des NbF und die KIKO Brandenburg.
Was macht ihr in eurer Arbeit?
Aufgabe des NbF ist es, den Mitarbeiter*innen und Trägern der Frauenhäuser, Zufluchtswohnungen und Frauenberatungsstellen ihre Arbeit zu erleichtern und zu ergänzen. Wir organisieren Fortbildungsangebote, Fachtagungen und Netzwerktreffen, erstellen Informationsmaterialien, geben Ressourcen weiter. Wir übernehmen die Pressearbeit und nutzen unsere eigenen Kanäle und Medien, um über die Frauenschutzeinrichtungen in Brandenburg zu informieren, aber vor allem auch, um das öffentliche Bewusstsein für Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu schärfen. Für Politik und Verwaltung sind wir die zentralen Ansprechpartnerinnen in der Bekämpfung häuslicher Gewalt und wir vertreten die Bedarfe, Forderungen und Interessen unsere Mitglieder nach Außen.
An welcher Stelle hat rechte Politik jetzt oder in der Zukunft Einfluss auf eure Arbeit bzw wie seid ihr betroffen?
Es sind verschiedene Ebenen. Es gibt die Ebene des Kulturkampfes, der Einstellungen und Stimmung im Land. Derzeit werden die überlasteten Frauenhäuser von verschiedenen Akteur*innen für rassistische, behindertenfeindliche, obdachlosenfeindliche, sexarbeitsfeindliche und transfeindliche Argumentationen instrumentalisiert, das ist wirklich schäbig, das muss sofort aufhören. Dass immer mehr Menschen aus besonders vulnerablen Gruppen und Lebenslagen in den Frauenhäusern Schutz suchen, liegt vor allem daran, dass sich die Lage da draußen zuspitzt: Schrumpfende Einkommen von Geringverdienenden, keine Chance auf dem Wohnungsmarkt, Missbrauch in der Pflege, privatisierte Gesundheitsversorgung, überlastete Hilfesysteme überall. Natürlich ist das in den Häusern zu spüren. Der Fakt bleibt doch: Jede dritte Frau in Deutschland erlebt in ihrem Leben Gewalt, jede vierte durch ihren Partner oder Ex-Partner, Frauen, queere und trans Menschen sind statistisch gesehen wesentlich öfter betroffen von Gewalt, Männer überwiegend ausübend. Gewalt kommt in allen sozialen Schichten, Bildungs- und Einkommensklassen und religiösen oder kulturellen Herkünften vor. Rechte Politikerinnen behaupten dagegen, Frauen würden Vorwürfe häuslicher und sexualisierter Gewalt aus Rache erfinden, sie würden übertreiben oder seien selbst Schuld. Oder die Gewalt sei „eingewandert“: Hunderttausendfache Abschiebungen würden dafür sorgen, dass in den Frauenhäusern wieder Platz sei. Das sind natürlich alles fatale antifeministische und rassistische Lügen. Aber sie schaden uns sehr. Sie sind verletzend für die Betroffenen, sie entmutigen andere, sich Hilfe zu holen und sie verbauen für uns alle den Weg zu langfristigen Lösungen und Prävention. Die Ursachen der Gewalt in dieser Gesellschaft sind systemisch und strukturell. Sie reichen vom tradierten männlichen Besitzanspruch bis hin zu einem Steuersystem, das im Ein-Einkommenshaushalt die Macht des Mannes über Frau und Kinder zementiert. Wenn wir die vielen verschiedenen Ursachen nicht sehen und benennen, dann können wir auch nicht die Folgen erfolgreich bekämpfen, geschweige denn zukünftige Gewalt verhindern.
Die andere Ebene ist die Ebene der Gesetze, Politiken und Ressourcen. Obwohl Frauenschutzeinrichtungen überlebenswichtige Notfalleinrichtungen sind, sind sie im Haushalt der Kommunen, die zusammen mit den Ländern, einen Großteil der Arbeit finanzieren, eine „freiwillige Leistung“. Also was? Ein Luxus, den man dann auch mal lassen kann, wenn die Kasse knapp ist? Oder deren Förderung man streicht, wenn der Frauenverein angeblich zu links ist? Das kann nicht sein. Aber wenn wir schauen, was in anderen Ländern passiert, wenn extrem rechte Parteien an die Macht kommen, dann bekommen wir schon Angst, dass unsere Handlungsspielräume kleiner, die Ressourcen knapper und die Programme und Gesetze frauen- und queerfeindlicher werden. Die Auswirkungen baden immer zuerst die Schwächsten aus, langfristig aber die große Mehrheit.
Was wünscht ihr euch in 5 Jahren für eure Arbeit?
Der Schutz vor Gewalt ist ein Menschenrecht. Frauenrechte sind Menschenrechte, Menschenrechte können nicht selektiv vergeben werden. Deutschland muss die Istanbul Konvention umsetzen. Also wollen wir mehr Frauenhausplätze, bessere Gesetze, mehr spezialisierte Beratung, mehr Prävention, mehr Aufklärung. Dem gestiegenen Bedarf, der in diesen Krisenzeiten natürlich immer komplexer wird, muss man aber auch durch eine bessere Sozialpolitik begegnen: Damit die Frauenhäuser leerer werden, braucht es bezahlbaren Wohnraum, mehr Sprachmittlung, frühere Intervention, bessere externe Kinderbetreuung. Aber eigentlich wünschen wir uns vor allem einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel, der an die Ursachen der Gewalt geht und für alle Menschen in ihrer Vielfalt Gleichheit erkämpft. Das schaffen wir vielleicht nicht in fünf, aber bestimmt in sechs Jahren.